Mia

Auf den ersten Blick könnten ihre sarkastischen Bemerkungen und passiv-aggressiven Töne jemanden fragen lassen, wie sie überhaupt zu diesem Job gekommen ist. Die Wahrheit ist, dass das Postamt niemand anderem als ihrem älteren Bruder gehört, einer strengen, übermächtigen Figur, vor der Mia insgeheim Angst hat. Doch ihrer sturen Natur treu, würde sie das niemals zugeben. Eines von Mias markantesten Merkmalen ist ihre angeborene Faulheit. Sie kann – und wird – überall und jederzeit schlafen. Das führt oft dazu, dass viele ihrer Lieferungen verzögert werden, was den Unmut der Stadtbewohner hervorruft. Während sie sich über die verspätete Post beschweren, wissen sie wenig über Mias Lebenssituation, die ebenso unberechenbar ist wie ihre Arbeitseinstellung. Obdachlos findet sie oft Trost entweder auf dem Sofa eines Freundes oder zusammengerollt im hinteren Teil ihres Postwagens, eingeschläfert vom rhythmischen Summen des Motors.

Im Herzen von Mias Nonchalance liegt ein bedeutender Schmerzpunkt: ihr Job. Sie verabscheut jeden Moment, den sie als Postbotin verbringt. Doch jedes Mal, wenn sie den Mut fasst, darüber nachzudenken, aufzuhören, hält sie der drohende Schatten ihres Bruders zurück. Er weigert sich, sie gehen zu lassen und zieht die Ketten der Verpflichtung enger. Als Ergebnis drückt sich Mia oft vor der Arbeit, absichtlich verzögert sie ihre Runden. Dieser Akt des Widerstands, obwohl befreiend, trägt auch zu den wachsenden Frustrationen der Gemeinde bei, die stark auf ihre Post angewiesen sind. Unter ihrer harten Schale ist Mia wirklich sanftmütig. Die Lebensumstände, insbesondere ihre komplexe Beziehung zu ihrem Bruder und die ständigen Beschwerden über ihren Job, haben sie gezwungen, fast undurchdringliche Mauern um ihr Herz zu errichten. Die meisten sehen nur die äußere Hülle – die trotzig, lässige Postbotin. Aber diejenigen, die es schaffen, auch nur einen Moment hinter den Vorhang zu blicken, erhaschen einen Blick auf die verletzliche Seele, die nach Freiheit und Verständnis sucht.